Das Leid von Schweinen bei der Betäubung verhindern – zum Wohle von Tier und Verbraucher

I. Fakten:
Zurzeit werden in deutschen Schlachtbetrieben Schweine u.a. mit CO2- Gas betäubt, um eine anschließend schmerzfreie Schlachtung gewährleisten zu können.

II. Einschlägige Rechtsgrundlagen:
1.) VERORDNUNG (EG) Nr. 1099/2009 DES RATES vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (Auszug)
Artikel 4 Betäubungsverfahren
(1) Tiere werden nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten.
Im Anschluss an die in Anhang I genannten Verfahren, die nicht zum sofortigen Tod führen (im Folgenden: „einfache Betäubung“), wird so rasch wie möglich ein den Tod herbeiführendes Verfahren, wie z. B. Entblutung, Rückenmarkszerstörung, Tötung durch elektrischen Strom oder längerer Sauerstoffentzug, angewandt.

 

ANHANG I
VERZEICHNIS DER BETÄUBUNGSVERFAHREN UND DAMIT ZUSAMMENHÄNGENDE ANGABEN (gemäß Artikel 4)

KAPITEL II Besondere Vorschriften für bestimmte Verfahren

7. Kohlendioxid in hoher Konzentration
Im Fall von Schweinen, Mardern und Chinchillas muss eine Kohlendioxidkonzentration von mindestens 80 % angewendet werden.
8. Kohlendioxid, Edelgase oder eine Kombination dieser Gase
Unter keinen Umständen dürfen Gase so in die Kammer oder an den Ort geleitet werden, wo Tiere betäubt und getötet werden sollen, dass es zu Verbrennungen oder zu Aufregung kommt, weil die Tiere frieren oder die Luftfeuchte zu gering ist.

9. Kohlenmonoxid (rein oder in Verbindung mit anderen Gasen)
9.1. Die Tiere unterliegen einer ständigen Sichtkontrolle.
9.2. Sie werden den Gasen einzeln ausgesetzt; es wird sichergestellt, dass das jeweilige Tier vor der Exposition des nächsten Tieres wahrnehmungslos oder tot ist.
9.3. Die Tiere müssen in der Kammer verbleiben, bis der Tod eingetreten ist.
DE L 303/24 Amtsblatt der Europäischen Union 18.11.2009
9.4. Es kann Gas verwendet werden, das von einem speziell für den Zweck der Tötung von Tieren umgebauten Motor erzeugt wird, sofern die für die Tötung zuständige Person zuvor nachgeprüft hat, dass das eingesetzte Gas
a) auf geeignete Weise abgekühlt wurde;
b) ausreichend gefiltert wurde;
c) keine Reizstoffe oder -gase enthält.

Der Motor wird jedes Jahr vor der Tötung von Tieren getestet.
9.5. Die Tiere werden erst in die Kammer gebracht, wenn die Mindestkonzentration an Kohlenmonoxid erreicht ist.

2.) Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates (Auszug)

§ 3 Allgemeine Grundsätze
(1) Zusätzlich zu den Anforderungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind die Tiere so zu betreuen, ruhigzustellen, zu betäuben, zu schlachten oder zu töten, dass bei ihnen nicht mehr als unvermeidbare Aufregung oder Schäden verursacht werden. …
§ 12 Betäuben, Schlachten und Töten
(1) Zusätzlich zu den Anforderungen an die Betäubung nach Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 sind Tiere so zu betäuben, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden.
(2) Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EG)Nr. 1099/2009 gilt nur für das Schlachten ohne vorausgegangene Betäubung.
(3) Wer ein Wirbeltier tötet, hat es zuvor nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 zu betäuben, soweit nicht in Anlage 1 etwas anderes bestimmt ist.
Anlage 1 (zu § 12 Absatz 3 und 10) Abweichende und zusätzliche Bestimmungen zu den zulässigen Betäubungsverfahren nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009


8. Kohlenmonoxidbetäubung
C. Tierschutzgesetz
§ 17
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
… 2.
einem Wirbeltier
a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder
b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden
zufügt.

III. Forderung:
Die Jungen Liberalen Bayern fordern, die rechtlichen Grundlagen für die Ersetzung von Kohlendioxid-Betäubungen an Schweinen durch Heliumgas oder eine andere geeignete Alternative zu schaffen.

IV. Begründung:
Aus den vorstehend zitierten rechtlichen Bestimmungen ergibt sich im Grundsatz, dass Tiere u.a. während oder bei der Betäubung keinerlei Schmerzen oder unnötigen Stress erleiden sollen. Dies ist jedoch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Betäubung von Schweinen mit Kohlendioxid nicht nur nicht zuverlässig ausgeschlossen, sondern im Gegenteil nicht selten der Fall: So führte die Einzelbetäubung von Mastschweinen „in einer kommerziell betrieben CO2-Dip-Lift-Anlage „bei 35 % der Tiere zu Symptome der Atemnot und bei 17,5 % zusätzlich zu starken Aversionen in Form von Fluchtversuchen und Lautäußerungen.“2 Diese Belastung der Tiere erscheint weder mit Sinn und Zweck der vorstehend zitierten rechtlichen Bestimmungen, noch mit Tierschutzbelangen vereinbar. Im Übrigen senkt sie die Fleischqualität zum Nachteil des Verbrauchers. Der Einsatz von Kohlendioxid bei der Betäubung von Schweinen sollte daher durch eine entsprechende Überarbeitung von Anlage I der Verordnung zum Schutz von Tieren im Zusammenhang mit der Schlachtung oder Tötung und zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates für die Zukunft ausgeschlossen werden.

Als wissenschaftlich belegte, sinnvolle Alternative zu der CO2-Betäubung erscheint eine Betäubung mit Heliumgas3. Säugetiere merken ausschließlich das Fehlen von Sauerstoff in der Luft, wenn CO2 vorhanden ist. Die Betäubung mit 98% Helium in der Luft führt vor der Bewusstlosigkeit des Schweines in keiner Weise zu Erstickungsängsten oder anderen Stressfaktoren, da Helium leichter als Luft ist und somit der O2-Mangel nicht bemerkt wird. Die betroffenen Tiere erleiden keine Schmerzen oder Ängste. Dass – wie etwa vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages behauptet – die globalen Gewinnungs- und Handelsbedingungen Hindernisse gegenüber einem Einsatz von Helium darstellen würden4, wird bislang nicht transparent unter Beweis gestellt.
Es erscheint nach alldem als äußerst dringlich, die Betäubung von Schweinen mit Kohlenstoffdioxid abzuschaffen und durch Heliumgas oder eine andere geeignete Alternative zu ersetzen, um dem sinnlosen Leid der Tiere endlich ein Ende zu bereiten und der rechtlichen Pflicht des Betäubens ohne vermeidbares Leiden gerecht zu werden.